Schublade auf, Mensch rein?

Persönlichkeitsdiagnostik so präzise wie ein Horoskop! „Ich bin INFJ.“ „Ach krass – ich auch! Dann passen wir ja perfekt zusammen.“ Solche Gespräche führen wir in Coachings, Interviews und bei der Auswahl von Führungskräften. Der Myers-Briggs-Test (MBTI) ist Kult. 16 Typen, vier Buchstaben, ein Gefühl von Orientierung. Aber: Was bringt er wirklich?

MBTI – ein psychologisches Horoskop mit Systemfehler.

Der MBTI klingt fundiert, ist aber längst wissenschaftlich widerlegt. Er reduziert Menschen auf Schwarz-Weiß-Typen, blendet Grauzonen aus – und produziert instabile Ergebnisse. Wer ihn zweimal macht, bekommt oft unterschiedliche Ergebnisse.

Noch problematischer: Sobald jemand als „typisch ESTJ“ oder „INFP“ gilt, wirkt das wie ein unausgesprochenes Urteil. Die Self-Fulfilling Prophecy lässt grüßen. Wir sehen nur noch das, was wir erwarten. Objektivität? Fehlanzeige.

Gut, aber nicht genug: Big Five, Gallup und der Predictive Index

Big Five (OCEAN) liefert valide, differenzierte Profile – keine Etiketten, sondern Spektren.

Gallup StrengthsFinder besticht durch den Fokus auf Stärken, ist aber mehr Coaching-Tool als echte Diagnostik.

Predictive Index (PI) geht einen anderen Weg: Persönlichkeit wird auf Jobrollen gematcht. Klingt smart – führt aber schnell zur Illusion, dass es den idealen Typus für eine Rolle gibt. Das birgt Risiken: Wer zu stark auf Matching-Algorithmen vertraut, begünstigt Confirmation Bias und schränkt Vielfalt ein.

Was wirklich zählt: Werte!

Kein Test der Welt zeigt dir, ob jemand integer führt. Ob jemand Verantwortung übernimmt, mutig entscheidet oder offen kommuniziert. Das zeigen Werte.Werte sind nur schwer testbar – aber spürbar. Sie prägen Haltung, Verhalten, Kommunikation. Sie sind einer der besten Indikatoren für Leadership.

Führung ist kein Typ. Führung ist eine Wertereise.

Nutze Diagnostik als Spiegel, nicht als Stempel. Verlass dich nicht auf Buchstaben oder Profile – sondern auf Haltung, Kommunikation und Verhalten.

Echte Leader erkennt man nicht an ihrem Persönlichkeitstyp, sondern an dem, wofür sie stehen.

Schublade auf, Mensch rein?